Aktualisiert am 8. November 2025 von Angelika Klein
Mit dem Tatort Geschichte Podcaster Hannes Liebrandt unterwegs Auf den Spuren des Nationalsozialismus im Alpenraum
Ich bin eigentlich keine Freundin von Gruppenreisen. Ich liebe es, meinen Tag selbst zu gestalten, spontan irgendwo Halt zu machen oder mich stundenlang in einem Museum zu verlieren. Und doch sitze ich an einem kühlen Oktobermorgen im Bus nach Berchtesgaden – mit 25 Menschen, die ich gestern zum ersten Mal gesehen habe.
Was mich hierher geführt hat? Ein Podcast.
Während der Pandemie entdeckte ich meine Leidenschaft für Bildungspodcasts – irgendwann stieß ich auf Tatort Geschichte, den Podcast der Historiker Dr. Hannes Liebrandt und Niklas Fischer. Die beiden lehren an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und erzählen so spannend von historischen Verbrechen, dass mir beim Zuhören schon mal das Essen auf dem Herd angebrannt ist.
Als ich hörte, dass Hannes Liebrandt regelmäßig Studienreisen mit der Georg-von-Vollmar-Akademie leitet, war meine Neugier geweckt. Ein Klick auf die Website genügte: Auf den Spuren des Nationalsozialismus im Alpenraum – das klang nach genau der Art von Reise, die ich mir unter Bildungsurlaub vorstelle: Lernen mit Tiefgang, an den Originalschauplätzen.
Darum gehts in diesem Artikel:
In diesem Erfahrungsbericht verrate ich dir,
- wie mit der Georg-von-Vollmar-Akademie Lernen zu einem Gemeinschaftserlebnis wird,
- was den Tatort Geschichte Podcaster Hannes Liebrandt zu einem außergewöhnlichen Seminarleiter macht
- und ob Bildungsurlaub mit der Georg-von-Vollmar-Akademie für dich ein passendes Reiseformat ist.
Erfahren, wo Geschichte geschah
Zwischen Alpenidyll und Abgrund – Lernen an historischen Schauplätzen
Die Studienreise der Georg-von-Vollmar-Akademie führte uns von Kochel am See über den Obersalzberg und Linz bis nach München. Eine Route, die auf den ersten Blick wie eine landschaftlich reizvolle Rundreise wirkte – tatsächlich aber tief in die dunkelsten Kapitel der deutschen und österreichischen Geschichte eintauchte.
Das Konzept war ebenso anspruchsvoll wie eindringlich: Wir erfuhren Geschichte an den Orten des Geschehens. Keine Vorträge im Seminarraum, sondern Lernmomente dort, wo Entscheidungen getroffen, Verbrechen begangen und Schicksale besiegelt wurden. Jeder Tag hatte einen anderen thematischen Schwerpunkt – Macht, Massenmord, Verantwortung, Widerstand – und wurde von Gesprächen, Beispielen und Reflexionsrunden begleitet.
Hannes Liebrandt, der die Reise wissenschaftlich begleitete, sorgte für den roten Faden: Er ordnete die Ereignisse historisch ein, erzählte die Geschichten hinter der Geschichte und verband das Gehörte mit größeren Zusammenhängen. An seiner Seite war Simone Späth von der Georg-von-Vollmar-Akademie, ebenfalls Historikerin, die die organisatorische Leitung übernahm und im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf sorgte.
An den einzelnen Lernorten selbst übernahmen örtliche Guides die Führungen – Menschen, die ihre Themen mit viel Expertise und Leidenschaft vermitteln. Am Obersalzberg führte uns Nadine Tauchner durch die Ausstellung und erklärte anhand eines beeindruckenden Geländemodells die Entstehung des „Führersperrgebiets“ und die Enteignung der Bewohner. In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen begleitete uns Marlene Wöckinger mit Kompetenz und persönlichem Bezug über das Gelände und stellte unbequeme Fragen, die man nicht so schnell vergisst. In Linz zeigte uns Casimir Paltinger die Spuren der geplanten „Führerstadt“ – sachkundig, mit trockenem Humor und einem feinen Gespür für die Ambivalenz zwischen Stadtbild und Geschichte. In Schloss Hartheim vermittelte Mark Kaiser eindrucksvoll die grausame Präzision und menschenverachtenden Hintergründe der NS-Euthanasieprogramme. Und im NS-Dokumentationszentrum München lenkte Christoph Zahner den Blick auf die Macht der Bilder – auf Propagandafotografien, ihre Inszenierung und ihre Wirkung bis in die Gegenwart.
Jede dieser Begegnungen trug zum Gesamtverständnis bei. Die Guides öffneten Fenster in lokale Perspektiven, Simone Späth sorgte für die organisatorische Klammer, und Hannes Liebrandt half, alles in den historischen und gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Am Ende waren es vor allem diese Menschen, die Geschichte greifbar machten – durch Wissen, Haltung und die Art, wie sie uns zum Nachdenken brachten.
Auf einen Blick: Die Stationen unserer Reise
Zur Orientierung findest du hier alle Orte unserer Studienreise „Auf den Spuren des Nationalsozialismus im Alpenraum“.
Die interaktive Karte zeigt die wichtigsten Stationen zwischen Berchtesgaden, Linz und München – mit Dokumentationszentren, Gedenkstätten und historischen Schauplätzen.
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Was ist Bildungsurlaub?
Bildungsurlaub ist ein gesetzlich verankerter Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit, um an offiziell anerkannten Bildungsprogrammen teilzunehmen. Er wird zusätzlich zu den regulären Urlaubstagen gewährt und soll die berufliche, politische oder kulturelle Bildung fördern.
Da Bildung in Deutschland Ländersache ist, gibt es keine einheitliche Regelung: In 14 von 16 Bundesländern besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Bildungsurlaub – nicht jedoch in Bayern und Sachsen. Die genauen Voraussetzungen, Fristen und Antragswege variieren je nach Bundesland.
In der Regel beträgt der Anspruch fünf Tage pro Jahr oder zehn Tage in zwei Jahren. Anerkannt werden Seminare, die von zertifizierten Bildungsträgern angeboten werden – wie etwa der Georg-von-Vollmar-Akademie e. V. in Kochel am See. Die Themen reichen von Politik, Geschichte und Medienkompetenz bis hin zu Nachhaltigkeit, Kommunikation oder Kultur.
Hannes Liebrandt – der Performer
Wenn Geschichte zur Gegenwart wird
Aus Tatort Geschichte wusste ich längst, dass Hannes Liebrandt ein brillanter Storyteller ist – aber ihn live zu erleben war eine andere Ebene. Sein Auftritt war immer eine Performance, in der er uns mit seiner Erzählkunst, seiner Körpersprache und seinem unerschöpflichen Wissen mit auf eine Zeitreise nahm.
Am Obersalzberg, wo einst Hitlers Berghof stand, zeigte er uns, wo sich das berühmte versenkbare Panoramafenster befand, wo die Terrasse lag, auf der die Berghof-Gesellschaft sich in Arbeitspausen versammelte, und wie die Umgebung gezielt als Teil der Führer-Inszenierung genutzt worden war. Er ging durch die sogenannte „Große Halle“ zum Tisch, an dem Hitler und sein „innerer Kreis“ Angriffskrieg und Massenmord planten – immer das Alpenpanorama vor Augen. Hannes beschrieb die Geschichte nicht nur, sondern erweckte die Szenerie in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zum Leben.
Diese Gabe, komplexe Zusammenhänge mitreißend und gleichzeitig verständlich darzustellen, machte das Zuhören zu einem spannenden Erlebnis. Ob am Obersalzberg, auf Schloss Hartheim oder am Königsplatz in München – Hannes verknüpfte historische Fakten mit persönlichen Schicksalen und klugen Fragen. Dabei ging es ihm nie um Schuldzuweisungen, sondern um das Verstehen: Wie konnte all das geschehen? Und was bedeutet das für uns heute?
Einer der für mich eindrucksvollsten Momente der Reise spielte sich im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität München ab. Hier erzählte Hannes von der letzten Flugblattaktion der Weißen Rose. Er nahm uns mit auf den Weg, den Sophie und Hans Scholl nach dem Verteilen von etwa der Hälfte ihrer Flugblätter schon in Richtung des Ausgangs Adalbertstraße gegangen waren, als sie umkehrten, um die restlichen Flugblätter von der Galerie hinunterzuwerfen. Gemeinsam gingen wir zu eben dieser Stelle – heute durch eine Gedenktafel markiert. Hier entdeckte sie der Hausmeister und hielt sie fest, bis die Gestapo eintraf, um sie abzuführen. Dort zu stehen, an dem Ort, wo eine einzige fatale Entscheidung das Todesurteil dieser jungen Menschen bedeutete, hat mich sehr berührt.
Bei der Abschlussrunde waren sich alle Teilnehmer einig: Hannes Liebrandts mitreißende Art, Geschichten zu erzählen, hat dieses Seminar zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.


Immer in Bewegung: Hannes erzählt am Originalschauplatz im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität in München von der letzten Flugblattaktion der Geschwister Scholl.
Die Georg-von-Vollmar-Akademie
Ein Ort der Erinnerung – und der Erneuerung
Nach einer intensiven Woche trennte unsere Gruppe sich nach der Besichtigung der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der LMU. Ich fuhr mit Bahn und Bus zurück nach Kochel am See, um noch zwei Tage im Gästehaus der Georg-von-Vollmar-Akademie zu verbringen und die schöne Gegend zu erkunden. Schon das Gebäude selbst erzählt Geschichte: Das barocke Schloss Aspenstein war einst das Wohnhaus des ehemaligen Reichsjugendführers Baldur von Schirach, wurde nach dem Krieg enteignet und später zur Bildungsstätte der bayerischen SPD ausgebaut. Heute ist es ein Ort der Begegnung, an dem politische Bildung, gelebte Demokratie und historisches Bewusstsein zusammenkommen.
Im Foyer des Gästehauses der Akademie steht noch der große Globus – ein Geschenk Hitlers an von Schirach –, der als stilles Mahnmal an die Zeit erinnert, als hier Macht und Ideologie zuhause waren. Umso bemerkenswerter ist, wie sich der Ort verwandelt hat: zu einem Haus des Dialogs, das Menschen unterschiedlichster Hintergründe zum gemeinsamen Lernen einlädt.
Beim Frühstück am Sonntagmorgen musste ich grinsen: in einer Nische des Speisesaals im Schloss hängt ein Foto von Willy Brandt, Zigarette im Mundwinkel, Ukulele in der Hand – ihn sah ich 1983 bei der großen Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten. Überhaupt erinnert vieles hier an alte Zeiten: hellgrüne Wachstischdecken, Stoffrosen auf dem Tisch, ein Hauch sozialdemokratischer Nostalgie. Unbedingt erwähnt werden muss das geniale Küchen-Team, das mit regionalen Zutaten abwechslungsreiche und äußerst schmackhafte Gerichte zaubert.
Als Seminarteilnehmer:in fühlt man sich hier willkommen und gut aufgehoben. Die Lage oberhalb des Kochelsees sorgt für Ruhe und Weitblick. Für mich steht fest: ich komme wieder!





Bildungsurlaub mit der Georg-von-Vollmar-Akademie – wäre das was für dich?
Nicht jeder reist gern in einer Gruppe. Manche möchten lieber spontan entscheiden, wo sie morgens ihren Kaffee trinken, andere genießen den Austausch und die Struktur einer begleiteten Reise. Bildungsurlaub ist nichts für Menschen, die Urlaub mit Abschalten gleichsetzen – dafür umso mehr für alle, die offen sind für neue Perspektiven, Gespräche und Denkanstöße.
Bei der Studienreise der Georg-von-Vollmar-Akademie war die Gruppe bunt gemischt: Lehrkräfte, Verwaltungsangestellte, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, einige Ruheständler – und, was mir besonders gefiel, sie kamen aus allen Teilen Deutschlands. Menschen, die mitten im Leben stehen und Lust haben, dazuzulernen. Viele waren schon erfahrene Bildungsurlauber, andere kamen einfach aus Interesse am Thema. Am Ende hatten alle das Gefühl, mehr mitgenommen zu haben als nur Eindrücke: kontroverse Fragen und neue Perspektiven.
Bildungsurlaub mit der Georg-von-Vollmar-Akademie ist ideal für dich, wenn …
- du dich für Geschichte, Politik oder Kultur interessierst
- du gern in der Gruppe diskutierst und reflektierst
- du Neues lernen und dich weiterentwickeln möchtest
- du offen bist für andere Sichtweisen
- du bereit bist, dich auch mit unbequemen Themen auseinanderzusetzen
- du gern mal ein paar Tage in der Gesellschaft Gleichgesinnter verbringst
Weniger geeignet ist er, wenn du …
- lieber ausschlafen und spontan reisen möchtest
- dich nicht an einen vorgegebenen Programmablauf halten magst
- Reisen vor allem zur Erholung nutzt
- Diskussionen oder Konfrontation lieber vermeidest
- dich nicht auf schwierige Themen einlassen willst
- Wert auf hohen Komfort legst (wir übernachteten in angenehmen Mittelklasse-Hotels, im Bus konnte es schon mal eng werden 😉)
Wer sich auf das Konzept einlässt, merkt schnell: Bildungsurlaub ist keine Klassenfahrt für Erwachsene, sondern eine inspirierende Möglichkeit, mit Abstand vom Alltag den eigenen Horizont zu erweitern. Und das Beste: Man reist nicht nur durch Landschaften, sondern auch durch Gedankenwelten – gemeinsam, neugierig und mit vielen Aha-Momenten.

Fazit – Was bleibt?
Diese Reise war kein Urlaub im klassischen Sinn – sie war intensiver, fordernder und bereichernder, als ich es erwartet hatte. Wer sich auf einen Bildungsurlaub einlässt, kommt nicht nur mit neuen Bildern nach Hause, sondern mit Fragen. Und mit dem Wunsch, genauer hinzusehen – auf die Geschichte, die Gesellschaft und manchmal auch sich selbst.
Am meisten beeindruckt hat mich die Mischung aus perfekter Organisation, fundiertem Wissen und spannenden Begegnungen. Die Georg-von-Vollmar-Akademie bietet Raum und Rahmen für politische Bildung und historische Spurensuche. Und Hannes Liebrandt gelingt das Kunststück, geschichtliche Zusammenhänge so anschaulich zu vermitteln, dass sie im Gedächtnis bleiben und im Inneren weiterwirken.
In der Ludwig-Maximilians-Universität, wo die Geschwister Scholl ihre letzten Flugblätter verteilten, schließt sich der Kreis. Geschichte vergeht nicht. Sie begleitet uns, prägt uns, fordert uns heraus – jeden Tag aufs Neue.
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