Aktualisiert am 16. Juni 2024 von Angelika
Als ich um 8:30 Uhr die Vorhänge meines Zimmers zurückziehe, steigen gerade ein paar Polizisten mit kugelsicheren Westen aus einem Bus. Heute wird im Literaturmuseum der Moderne das Ausstellungs- und Forschungsprojekt „Kafkas Echo“ eröffnet. Mit von der Partie sind Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Schriftsteller Daniel Kehlmann und viele andere mit Rang und Namen. Es ist eine geschlossene Veranstaltung, aber es gibt gleichzeitig einen Tag der Offenen Tür im Museumskomplex auf der Marbacher Schillerhöhe. Ich habe ein Ticket für eine Führung durchs Deutsche Literaturarchiv (DLA) ergattert, was mir bei meinem ersten Besuch im November 2023 nicht gelungen war. Wegen der guten Wettervorhersage habe ich mich entschlossen, drei Tage in Marbach zu bleiben und mir auch einige Orte in der Gegend anzusehen. Ans DLA angeschlossen ist ein Collegienhaus, in dem Forschende, Studierende und Autoren für wenig Geld schlichte, aber sehr praktische Zimmer mit Arbeitsplatz, Küche, Bad und schöner Aussicht mieten können.
Die Führung ist erst um 16:30 Uhr und die Kafka-Ausstellung werde ich mir am Dienstag vor meiner Heimreise ansehen. Für heute habe ich mir einen der Rundwanderwege durch Marbach und die umliegenden Weinberge vorgenommen. Aber zuerst gehts zum Frühstück ins Café Der obere Beck.
Frisch gestärkt, starte ich meine Wanderung im Stadtzentrum. Durch den schön restaurierten Oberen Torturm gelange ich in die Marktstraße.
Irgendwo hatte ich gelesen, dass die Bauarbeiten in der Marbacher Innenstadt bis Frühjahr 2024 abgeschlossen sein sollen. Doch das war wohl eine Illusion. Es sieht noch schlimmer aus als im November – die Marktstraße ist eine einzige Baustelle.
Für die Fußgänger gibt es markierte Pfade durch die Baustellen hindurch. Hinter der Baustelle entdecke ich ein Restaurant mit dem Schild „Draußen nur Kännchen“ 😆. Es macht einen einladenden Eindruck, hat aber noch geschlossen – und ich bin ja satt vom riesigen Frühstück.
Abseits der Baustellen bin ich wieder ganz entzückt von dieser hübschen Stadt. In der Mittleren Holdergasse rankt sich der Wein an den Häusern hoch.
1690 wurde der Wilde-Mann-Brunnen als Niklasbrunnen errichtet. Der Wilde Mann als Marbachs Wappenhalter wurde erst später aufgesetzt. Das mittlere Haus auf der anderen Straßenseite ist Schillers Geburtshaus, das ich heute links liegen lasse, da ich es schon im November besichtigt habe.
Der Rundwanderweg, den ich mir ausgesucht habe, führt mich weiter zur Alexanderkirche, die ich bei meinem letzten Besuch in Marbach aus Zeitmangel nicht besichtigen konnte. Baumeister der spätgotischen Hallenkirche war Aberlin Jörg, der bedeutendste Architekt der Spätgotik in Württemberg.
Von der Aussichtsplattform vor der Kirche bietet sich ein schöner Blick auf Marbach.
Am Friedhof vorbei gehts nun ein Stück den Berg hoch, dann nach rechts zwischen Wiesen und Äckern bis zum Galgen, ein Freizeitareal mit Grillplätzen, Spielplatz und einem herrlichen Rundblick bis zum Stromberg-Heuchelberg.
Zwischen Weinbergen wandere ich zurück nach Marbach, wo ich dem Tobias-Mayer-Museum einen Besuch abstatte. Der große Astronom, Geograf und Kartograf wurde wie Schiller in Marbach geboren.
Zeit für eine Pause! Im Eiscafé Silvana gibt es Eiskaffee in allen erdenklichen Varianten – mit Eierlikör, Amaretto, Schokolade … Ich entscheide mich für den Nuss-Eiskaffee. Äußerst lecker!
Um 16:30 Uhr startet die Hausführung durchs Deutsche Literaturarchiv. Dort geht es in den Keller, wo bei kühlen Temperaturen die wertvollen Handschriften lagern. Wir sehen unter anderem Handschriften von Eduard Mörike, Ernst Jünger, ein stenografisches Manuskript von Erich Kästner, einen Liebesbrief von Else Lasker-Schüler an Franz Marc und als Krönung eine Brief von Friedrich Schiller. Auch die weiteren Stationen – Bilder und Objekte, Mediendokumentation und die Bibliothek – gewähren unglaublich interessante Einblicke. Die Sammlungen stehen auf Antrag allen offen, die Quellenforschung betreiben – auch interessierten Laien. Man muss also kein Wissenschaftler sein, um die Handschrift eines Schriftstellers begutachten zu dürfen. Nur mit nach Hause nehmen darf man sie nicht.
12 von 12 Infos
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Das Fotoprojekt 12 von 12 gibt es bei Caro von Draußen nur Kännchen. Am 12. des Monats machst du über den Tag verteilt viele Fotos und suchst abends 12 davon aus, zu denen du eine kurze Beschreibung verfasst. Unter Caros 12 von 12 Posting findest du eine Liste, in die du deinen eigenen 12 von 12 Blogartikel eintragen kannst.
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