Aktualisiert am 30. Oktober 2024 von Angelika

Im heutigen 12 von 12 nehme ich dich mit nach Tübingen, eine der schönsten Städte Baden-Württembergs, die auch bei Touristen immer beliebter wird. Heute sind bei sommerlichen Temperaturen viele Stocherkähne mit gut gelaunten Student:innen und Tourist:innen an Bord unterwegs. Mein Weg vom Neckar-Parkhaus (sehr günstig gelegen für die Erkundung der Altstadt, wenn du mit dem Auto kommst) führt mich direkt zur Eberhardsbrücke, wo mir die bunt bepflanzten Blumenkästen am Brückengeländer gleich ins Auge springen. Eine Gruppe asiatischer Stocherkahn-Passagiere – offenbar ein Chor – stimmt fröhlich ein Lied an, das von den Brückenbesuchern und den Terrassengästen der Gasthausbrauerei Neckarmüller mit viel Applaus quittiert wird.

Neben Heidelberg und Freiburg im Breisgau ist Tübingen die bekannteste Universitätsstadt in Baden-Württemberg. Die Eberhard-Karls-Universität wurde im Jahr 1477 auf Betreiben des Grafen Eberhard im Bart gegründet und zählt zu den ältesten Universitäten Europas. Mit rund 28.000 Studierenden und etwa 90.000 Einwohnern ist Tübingen eine der jüngsten Städte Deutschlands, mit einem Durchschnittsalter von etwa 40 Jahren. Die Stadt liegt malerisch im mittleren Neckartal zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, etwa 45 km von Stuttgart entfernt.

Tübingen Sehenswürdigkeiten – Karte für deinen Rundgang

Für den nachfolgend beschriebenen Stadtrundgang durch Tübingen habe ich eine Karte mit Google My Maps für dich erstellt. Speichere dir die Karte einfach aufs Handy, um sie für deine eigene Entdeckungstour zu nutzen. Wie das geht, beschreibe ich in meinem ausführlichen Blogbeitrag Route planen mit Google Maps.

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Eine Augenweide: Neckarfront, Hölderlinturm und Platanenallee

Der Blick von der Eberhardsbrücke auf die Neckarfront ist wohl das bekannteste Fotomotiv Tübingens. Der kleine gelbe Turm, der am Ende der Häuserreihe nahe am Wasser steht, ist der Hölderlinturm. Friedrich Hölderlin, einer der berühmtesten Lyriker seiner Zeit, lebte von 1807 bis zu seinem Tod 1843 in diesem Turm, der zu den bekanntesten literarischen Gedenkstätten weltweit gehört. Als unheilbar geisteskrank aus der Tübinger Universitätsklinik entlassen, nahm die Familie des Tübinger Schreiners und Hölderlin-Verehrers Ernst Zimmer den Dichter wie ein Familienmitglied auf.

Tübingen, Neckarfront - Altstadt-Panorama von der Eberhardsbrücke gesehen, im Vordergrund gelbe und blaue Blumen der Brückenbepflanzung - angiestravelroutes.com

Nach einem Spaziergang über die Platanenallee auf der Neckarinsel (von dort habe ich das Beitragsbild aufgenommen) gehe ich über den Zwingel – einen schmalen Fußweg an der Neckarfront – zum Hölderlinturm und besuche das Museum, das keinen Eintritt kostet. Ich erfahre viel Interessantes über das Leben des Dichters und seine ganz besondere Lyrik. Das einzig erhaltene Möbelstück Hölderlins, ein kleiner Schreibtisch, steht im Turmzimmer mit schöner Aussicht auf die grüne Neckarinsel. Glück im Unglück hatte Hölderlin, denke ich mir, in dieser schönen Umgebung und mit der großherzigen Familie Zimmer.

Auf den Spuren der Dichter und Denker: Evangelisches Stift

Nach dem Besuch im Hölderlinturm gehe ich an der Alten Burse vorbei den Klosterberg hoch bis zum Evangelischen Stift, wo Hölderlin auf Wunsch seiner Mutter Theologie studierte. Das ehemalige Augustinerkloster wurde nach der Reformation in Württemberg 1534 in eine Ausbildungsstätte für evangelische Theologiestudenten umgewandelt. Hier absolvierten neben Hölderlin und seinen Kommilitonen Hegel und Schelling beispielsweise auch Uhland, Mörike, Kepler und Hauff ihre Ausbildung. Seit 1969 dürfen auch Frauen hier studieren.

Tübingen, Evangelisches Stift - Seitenansicht von der Neckarhalde - Brücke mit schmiedeeisernem Geländer zum Seiteneingang - unterer Teil des Gebäudes Sandsteinmauerwerk, oberer Stock gelb gestrichenes Fachwerk, ganz oben kleine Dachgauben - angiestravelroutes.com

Kulturelle Schätze im Schloss Hohentübingen

Weiter geht es über die Burgsteige zum Schloss Hohentübingen – kein weiter Weg, aber die feuchtheiße Luft heute fühlt sich fast tropisch an ….

Das Tübinger Schloss wurde im 16. Jahrhundert auf den Überresten einer alten Pfalzgrafenburg errichtet. Die Schlossanlage betritt man durch das Untere Schlosstor, das als ein Meisterwerk der Renaissance gilt. Es wurde Anfang des 17. Jahrhunderts nach Entwürfen des württembergischen Hofbaumeisters Heinrich Schickhardt errichtet.

Tübingen, Schloss Hohentübingen, Unteres Schlosstor - Sandstein in Form eines römischen Triumphbogens, üppig verziert - oben eingearbeitet das Wappen des Herzogtums Württemberg, umrahmt von Ordensketten - angiestravelroutes.com

Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts übernahm die Universität erste Räume im Schloss, und im Jahr 1816 übertrug der württembergische König Wilhelm I. das ganze Schloss der Universität, die hier unter anderem das Museum Alte Kulturen einrichtete. Hier sind Objekte aus den Lehrsammlungen der Universität zu sehen, unter anderem Münzsammlungen, eine ägyptische Grabkammer und Funde aus Troja. Die 40.000 Jahre alten Vogelherdfiguren (Mammutelfenbeinfiguren und Fragmente von Knochenflöten) sind die ältesten erhaltenen Kunstwerke der Menschheit. Sie stammen aus der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb, einer der sechs Höhlen, die seit 2017 Teil des UNESCO-Welterbes Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb sind.

Im Schlosskeller befindet sich das angeblich älteste erhaltene Riesenweinfass der Welt aus dem Jahr 1549, das es sogar ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat. Man kann es aber wegen einer im Schlosskeller lebenden Fledermauskolonie nur im Winter besichtigen.

Das ehemalige Observatorium auf der Bastion aus dem Jahr 1814 geriet nach dem Tod ihres Erbauers, des Astronomen und Mathematikers Johann von Bohnenberger in Vergessenheit, bis der Wissenschaftler Alfons Renz 2002 in dem unscheinbaren Bau das Originalgerät wiederentdeckte.

Tübingen, Schloss Hohentübingen - ein Teil des Schlosses mit dem Nordostturm, davor das ehemalige Observatorium - Ansicht vom Schlossgarten - angiestravelroutes.com

Ich drehe eine Runde um den Schlossgarten, denn von hier hat man herrliche Ausblicke auf die Tübinger Altstadt und ins Neckartal. Im Schlossgarten gibt es jetzt auch ein mobiles französisches Café, das an schönen Tagen zu einer Pause im Grünen einlädt.

Tübingen, Schloss Hohentübingen - Aussicht auf Altstadt und Neckartal - angiestravelroutes.com

Marktplatz und Rathaus: Herzstück der Altstadt

Doch ich ziehe weiter in Richtung Altstadt, die Burgsteige hinunter. Im Wienergässle fange ich den Blick aufs reich verzierte Rathaus ein, das Highlight am schönen Marktplatz. Ursprünglich wurde es 1435 errichtet, aber mehrfach umgebaut und erweitert. Johannes Stöfflers astronomische Uhr im Giebel erhielt es 1511, die Sgraffito-Bemalung erst 1876 zum 400-jährigen Jubiläum der Tübinger Universität.

Tübingen Rathaus – Seitenansicht aus dem Wienergässle - angiestravelroutes.com

Doch auch der Marktbrunnen ist ein Prachtexemplar und beliebter Fotospot – im Hintergrund natürlich normalerweise das Rathaus, vor dem heute aber Autos stehen, die ich nicht mit fotografieren will.

Der Neptunbrunnen wurde 1617 vom württembergischen Hofbaumeister Heinrich Schickhardt entworfen und in Sandstein gefertigt. Da er stark verwittert war, wurde der Muschelkalktrog 1947 vom Tübinger Bildhauer Heinrich Krauß erneuert, die Säule mit der Neptunfigur wurde vom Freudenstädter David Fahrner aus dem Metall eingeschmolzener Waffen rekonstruiert.

Während meiner Kaffeepause am Marktplatz fängt es an zu regnen und ich muss von der Terrasse in den Innenraum des Cafés flüchten. Zum Glück ist es nur ein kurzer, heftiger Schauer.

Tübingen, Marktplatz, Neptunbrunnen - achteckiger verzierter Muschelkalktrog, reich geschmückte Säule mit Neptunfigur - bunter Blumenschmuck der Stadt am Sockel der Säule - angiestravelroutes.com

Altstadt-Idyll zwischen Neckar und Ammer: Kornhaus, Ammergasse und mehr

Meine große Altstadt-Runde führt mich weiter die Marktgasse runter zum Kornhaus, in dem sich heute das Stadtmuseum befindet, zur Krummen Brücke und in die Ammergasse, zum Salzstadel, zur Jakobuskirche (die eine Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela ist), zum Fruchtkasten (heute das Bürgeramt) bis zum Nonnenhaus. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus wurde 1488 als Damenkloster erbaut und zählt mit 30 Metern Länge zu den größten Fachwerkhäusern in Tübingen. Der Ammerkanal zieht sich durch die Tübinger Altstadt und trägt dazu bei, dass auch viele belebte Ecken sehr malerisch sind.

Tübingen – Marktstand neben der Ammer, im Hintergrund das Nonnenhaus, am Ammergeländer bunt bepflanzte Blumenkästen der Stadt – angiestravelroutes.com

Durch die Neue Straße laufe ich wieder in Richtung Neckar und biege in die Collegiumsgasse ein, die wie viele Gassen in der Tübinger Altstadt von Cafés und kleinen Geschäften gesäumt ist.

Vor dem Wilhelmsstift – der katholischen Antwort auf das Evangelische Stift – sind viele parkende Fahrräder versammelt. Tübingen ist Radfahrerstadt: Keine andere deutsche Kommune investiert derzeit mehr in den Radverkehr. Bis 2030 soll ein durchgehendes Netz an Radwegen durch die Stadt führen. Die Altstadt ist schon jetzt weitgehend autofrei. Auswärtige haben keine Chance, in den Straßen der Innenstadt einen Parkplatz zu ergattern – die sind Anliegern vorbehalten.

Tübingen, Collegiumsgasse – rechts in der Fachwerkhäuserzeile Cafés und kleine Läden, links das Wilhelmsstift, davor viele geparkte Fahrräder – angiestravelroutes.com

Literarische Spuren: Hesse-Kabinett und Cottahaus

Durch die Lange Gasse gehe ich zum Holzmarkt, Tübingens belebtestem Platz. Um den ganzen Platz herum und auf den Stufen vor der Stiftskirche sitzen so viele Menschen, dass ich lieber nicht fotografiere. Der Brunnen mit dem Heiligen Georg ist fest im Griff der Instagram-Fraktion. Gegenüber erinnert das Hesse-Kabinett an den im schwäbischen Calw geborenen Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, der von 1895 bis 1899 im Antiquariat Heckenhauer seine Buchhändlerlehre absolvierte. Noch während seiner Lehrzeit veröffentlichte der junge Autor einen ersten Gedichtband und eine Prosasammlung, die allerdings wirtschaftliche Misserfolge waren – doch der Grundstein auf dem Weg zum Nobelpreis war gelegt …

Tübingen Holzmarkt Antiquariat Heckenhauer - Eingang zur Buchhandlung, rechts davon Schaukasten "Hesse Kabinett", links davon zwei Schaukästen des "Antiquariat & Kunsthandlung J.J. Heckenhauer" - angiestravelroutes.com

Ein paar Schritte den Berg hoch befindet sich ein weiterer Erinnerungsort deutscher Literatur, das Cottahaus in der Münzgasse. Der Verleger Johann Friedrich von Cotta veröffentlichte die Bücher von Goethe, Schiller, Wieland, Herder, Hölderlin, Uhland, Kleist und vielen anderen. Goethe selbst besuchte seinen Verleger im September 1797 für einige Tage auf seiner Reise in die Schweiz und bewohnte das Südostzimmer im ersten Stock. Eine Tafel an der Hauswand erinnert an das denkwürdige Ereignis. Cotta zog mit seinem Verlag 1810 nach Stuttgart um und verkaufte das Haus in Tübingen.

Tübingen Münzgasse Cottahaus - cremefarbenes Bürgerhaus mit barocker rekonstruierter Fassadenmalerei. Nicht rekonstruierbare Teile sind als dunkle Flächen dargestellt - angiestravelroutes.com

Die Alte Aula: Ein Wahrzeichen akademischer Tradition

Die Alte Aula steht praktisch gegenüber des Cottahauses. Hier befand sich früher die Universitätsbibliothek, die Goethe während seines Aufenthalts besuchte, weil er sich für ein Buch interessierte, das er in Weimar nicht bekommen konnte: ein Werk über Optik aus dem 17. Jahrhundert – er arbeitete zu jener Zeit nämlich gerade an seiner Farbenlehre.

Die Alte Aula wurde 1547 errichtet und beherbergte Archiv, Bibliothek und Hörsäle. Zum 300jährigen Jubiläum der Universität 1777 wurde das Gebäude im klassizistischen Stil umgebaut. Nach jahrelanger aufwändiger Sanierung wird die Alte Aula seit 2012 wieder von der Universität Tübingen genutzt.

Tübingen Alte Aula - Nordansicht der neoklassizistischen Fassade von 1777 - angiestravelroutes.com

Ein Tag voller Entdeckungen

Tübingen ist immer einen Ausflug wert – und auf meinem heutigen Rundgang habe ich zwar Bekanntes gesehen, aber dabei viel Neues erfahren. Übrigens sind im August und September Semesterferien. Ich war schon mal aus Versehen in dieser Zeit in Tübingen, und die Stadt war wie ausgestorben, weil die Studenten verschwunden waren. Ich fand das gar nicht schön, aber es soll ja Reisende geben, die es mögen, touristische Highlights ohne Menschen auf dem Bild zu fotografieren. Für die wären die Semesterferien dann wohl die richtige Zeit, um nach Tübingen zu fahren 😉.

12 von 12 Infos

Wenn dir dieser Einblick in meinen Tag gefallen hat und du selbst einen Blog hast, dann mach doch auch mal mit!

Das Fotoprojekt 12 von 12 gibt es bei Caro von Draußen nur Kännchen. Am 12. des Monats machst du über den Tag verteilt viele Fotos und suchst abends 12 davon aus, zu denen du eine kurze Beschreibung verfasst. Unter Caros 12 von 12 Posting findest du eine Liste, in die du deinen eigenen 12 von 12 Blogartikel eintragen kannst.

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